
Lobsang Thupten im Tibetan Refugee Center in Lower Dharamsala.
Diese Bedingungen, damit ist unter anderem gemeint, dass die Verehrung des geistigen Oberhauptes der Tibeter, des Dalai Lama, verboten ist. Das heißt, falls von ihm ein Bild an der Wand hängen sollte, müssen die Betroffenen mit Verhör, Folter, nicht selten auch mit Gefängnis rechnen. Denn der Dalai Lama ist in Augen der Chinesen ein Separatist. 1959 ist er ins Exil geflohen und setzt sich seitdem für die Autonomie Tibets ein. Für Menschen wie Lobsang spielt er als Oberhaupt ihrer Religion, des tibetischen Buddhismus, die zentrale Rolle. Deshalb ist der größte Traum vieler Tibeter: Den Dalai Lama einmal in ihrem Leben mit ihren eigenen Augen zu sehen.
Lobsang Thupten war zwei Jahre lang auf der Flucht bis er endlich in Kathmandu ankam. Die nepalesische Hauptstadt ist so etwas wie das Sammelbecken der tibetischen Flüchtlinge. Hierher kommen alle bevor es weiter nach Indien, Europa oder in die USA geht. Nur 13.500 Tibeter leben dauerhaft in Nepal – mehr als 94.000 sind es in Indien. Allein in Dharamsala, dem Sitz des Dalai Lama, sind es 11.000.
Dharamsala ist eine Kleinstadt, im Nordwesten von Indien. Mit einer kleinen Propellermaschine braucht man von Neu-Delhi aus etwas mehr als eine Stunde. Genug, um in eine andere Welt einzutauchen. Denn Dharamsala gehört zwar offiziell zu Indien, aber es fühlt sich nicht an wie Indien. Mitten in den Bergen, ringsum saftig grüne Wälder, vergleichsweise wenig Verkehr. Auf 1.800 Meter befindet sich „Upper Dharamsala“, auch McLeod Ganj genannt. Hier reihen sich Restaurants an Cafés, Kioske, Souvenirläden und Hotels. Auf neongelben Plakaten wird für Yoga, Reiki und Massagen geworben. Der Tourismus ist für die Bewohner von Dharamsala Haupteinnahmequelle, denn der Dalai Lama ist Happening und Phänomen zugleich.
Wenn man Lobsang Thupten fragt, was er in Dharamsala am meisten vermisst, dann sagt er: seine Mutter. Seit der Flucht hatte er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Würde er anrufen, wäre sie wohl in Gefahr. Telefongespräche werden von den Chinesen abgehört und die Behauptung nicht zu wissen wo sich Lobsang befindet, würde in sich zusammenfallen. Für die Angehörigen, die zurückbleiben, beginnt mit der Flucht nicht selten ein Martyrium. Sie werden von chinesischen Polizisten verhört und schikaniert, nicht selten auch verhaftet. Wie es ihrer Familie geht, weiß auch die 28-jährige Nyima (Name geändert) nicht. Sie ist – genauso wie Lobsang – aus Tibet geflohen. Zwei Jahre lang hat sie in einem Restaurant in Lhasa gearbeitet, um das Geld für ihre Schmuggler zusammenzusparen.
Anfang 2009 haben die Menschen in Tibet angefangen, sich selber anzuzünden. Bis heute ist die Zahl auf 133 gestiegen. Wir wollen mit Menschen in Dharamsala über Selbstverbrennungen sprechen, aber die meisten lassen sich nur anonymisiert filmen. Auf keinen Fall möchte man von chinesischen Geheimdienstmitarbeitern im Internet aufgespürt werden. Viele unserer Gesprächspartner befürchten, dass sie dann nie wieder nach Tibet reisen dürften – oder ihre Verwandte in Tibet Probleme bekommen könnten. Das Gefühl der Angst ist allgegenwärtig. Und dass obwohl wir uns nicht in Tibet und auch nicht in China befinden, sondern tausende Kilometer entfernt. Erstaunlich, aber wahr: Der lange Arm Chinas reicht sogar bis nach Dharamsala. Jemanden zu finden, der mit einem Selbstanzünder verwandt ist, ist nahezu unmöglich. Aber dieser Mann erzählt von jemandem, der aus demselben Dorf stammt wie er.
Die Gründe warum sich Menschen anzünden sind unterschiedlich.
Einige davon sind:
- die aggressive Ansiedlungspolitik der Chinesen (in Tibet leben sechs Millionen Tibeter und 7,5 Millionen Han-Chinesen)
- weil sie ein Zeichen für ein unabhängiges Tibet setzen wollen
- weil sie es nicht ertragen, ihre Religion nicht frei ausleben zu können
- weil sie keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen, da es meist willkürlich ist, wer verhört, gefoltert und ins Gefängnis geworfen wird.
Manche sprechen davon, dass die Selbstverbrennungen die Tibeter als Volk haben näher zusammenrücken lassen. In jedem Fall gibt es unterschiedliche Player, die eine Rolle spielen. Wir möchten Sie im Einzelnen vorstellen.
Alle drei Jahre gibt es ein „General Board Meeting“, bei dem ein neuer Vorstand gewählt wird. Im Sommer 2013 wurde Tenzing Jigme zum neuen Vorsitzenden gewählt. Er hat lange in den USA gelebt, wo es eine große Exiltibetergemeinde gibt.
Tenzing Jigme sagt, es sei einfacher geworden an Informationen aus Tibet zu gelangen, weil viele inzwischen ein Smartphone besitzen. Außerdem werde der Ausbau des Internetzugangs vorangetrieben, weil viele Chinesen, die in Tibet angesiedelt werden danach verlangten. Gleichzeitig werden die meisten Informationen immer noch direkt von Person zu Person weitergegeben – vor allem über Verwandte.
Die Selbstverbrennungen seien für Tenzing Jigme Motivation und Inspiration zugleich. Der 36-Jährige erklärt: „Wir haben gesehen wie tapfer und mutig Tibeter in Tibet sind – sie empfinden Angst und wissen nicht was morgen ist, aber sie zeigen Mut.“ Die vielen Opfer verpflichteten alle Tibeter im Exil ihre Freiheit zu nutzen, um auf die Missstände aufmerksam zu machen.
Allerdings: Der „Tibetan Youth Congress“ ist nicht unumstritten. Schließlich ist es die einzige Organisation, die den „Mittelweg“ des Dalai Lama öffentlich kritisiert. „Die Tibeter bekommen zwar viel Sympathie von Regierungen weltweit, aber was wir brauchen, sind Aktionen“, sagt Jigme entschlossen. Man müsse internationalen Druck aufbauen, damit die chinesische Regierung ihre Tibetpolitik endlich ändere. Woher dieser Druck kommen soll, ist allerdings unklar. Bislang hat sich kein Land der Welt getraut, die wirtschaftlichen Beziehungen zu China aufs Spiel zu setzen, um auf die Menschenrechtslage der Tibeter aufmerksam zu machen. Dennoch gibt sich der 36-Jährige überzeugt: „Change is coming!“ – der Wandel wird kommen. Und zwar durch die chinesische Bevölkerung. Die werde eines Tages aufstehen und sich gegen die Regierung in Peking wehren.

Die Stelle, an der die letzten Selbstverbrennung in Kathmandu stattfand.
In Nepal hat sich die Situation für Tibeter in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Die chinesische Regierung investiert viel Geld in das nepalesische Verkehrswesen und auch im Bereich Wasserkraft. Dafür beschneidet Nepals Regierung die Tibeter in ihren Rechten. Größere Versammlungen sind seit einiger Zeit tabu, weil man sich vor neuen Fällen von Selbstverbrennungen fürchtet. Bislang gab es in Kathmandu genau drei Fälle. Im August 2013 hat sich Karma Ngedon Gyatso verbrannt. Im Innenhof des wichtigsten Schreins der Tibeter – „Stupa“ genannt – im Osten der Stadt. In „Boudha“ kommen Tibeter zusammen, um zu beten und zu meditieren.
Karma Ngedon war ein behinderter Mönch. Seine Beine gelähmt, seitdem er acht Jahre alt ist. Deshalb nutzte er ein rollendendes Brettes, um vorwärts zu kommen. Erzählungen zufolge hat er an seinem letzten Tag von seinem letzten Ersparten 100 Butterkerzen gekauft und sie im Innenhof der Stupa aufgestellt. Dann zündete er sich an und rief „Es lebe der Dalai Lama“. Wenig später starb er an seinen Verbrennungen. Die tibetische Exilgemeinde in Dharamsala forderte von der nepalesischen Regierung, seinen toten Körper auszuhändigen – doch die lehnte ab. Laut tibetischem Buddhismus müssen nach dem Tod spezielle Riten durchgeführt werden, damit es zu einer Wiedergeburt kommt. Werden diese Riten verweigert, ist die Wiedergurt in Gefahr.
Auch der Druck auf westliche Nichtregierungsorganisationen, die in Kathmandu ansässig sind, hat in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen. Auf Mitarbeiter werden Spione angesetzt, sie werden verfolgt und regelmäßig verhört. Eine der wenigen Organisationen, die ihre Arbeit bislang nicht aufgegeben haben, ist Amnesty International.
Rameshar Nepal und seine Mitarbeiter setzen sich für die Rechte von Migranten und Frauen ein, dokumentieren Menschenrechtsverletzungen und unterstützen internationale Kampagnen. Als sie bei einer Demonstration Solidarität mit den tibetischen Flüchtlingen zeigen wollten, kamen sie in Arrest. Nepal berichtet davon, dass es kein Problem sei, eine Kampagne über Syrien, Sudan oder Sri Lanka zu machen, aber sobald es um Tibet gehe, seien die nepalesischen Autoritäten nicht weit. Dabei sind die Menschenrechtsverletzungen in der Autonomen Region Tibet und den angrenzenden Provinzen vielfältig: Sie reichen von Folter über unfaire Gerichtsverfahren bis hin zur Todesstrafe.
Der Wendepunkt, auch für Rameshwar Nepal persönlich, waren die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking. Damals haben viele Mönche in Tibet demonstriert und auch Tibeter in Kathamandu haben Protestmärsche organisiert. „Ihnen ging es um Freiheit – aber die Gewalt, die gegen diese Menschen angewendet wurde, war furchtbar mitanzusehen. Viele wurden misshandelt. Ihnen wurden auf brutale Art Arme und Beine gebrochen.“ Es war die letzte große Demonstration in Nepal.
Generell ist zu sagen: An objektive Informationen aus Tibet heranzukommen, ist schwierig, weil es Journalisten seit 2008 untersagt ist, nach Tibet zu reisen. Falls Journalisten doch nach Tibet gelangen, dann nur mit vorher festgelegtem Programm und einer Reihe von Geheimdienstmitarbeitern, die sie auf Schritt und Tritt verfolgen. Tashi Dolma sagt, dass die internationale Gemeinschaft eigentlich darauf drängen sollte, endlich objektive Informationen über die Selbstverbrennungen zu bekommen. Am besten sollten unabhängige Journalisten in die Gebiete reisen und sich ein eigenes Bild verschaffen. Im Moment ist das: undenkbar.
Tsering Tsomo berichtet von sogenannten „Umerziehungskampagnen“, die seit einer Weile von der chinesischen Regierung initiiert werden. Demnach werden auch in abgelegene Provinzen Lehrer geschickt, die die Ideologie und die Kommunistische Propaganda verbreiten sollen. Dadurch wollen sie einen „neuen sozialistischen Menschen“ erschaffen. In der Regel widersetzen sich die Tibeter derartigen Versuchen von Infiltration – und organisieren stattdessen tibetische Sprachkurse für Kinder und Sommercamps, um Religion und Kultur am Leben zu erhalten.
Für die, die es gar nicht mehr aushalten, ist es allerdings schwieriger geworden, das Land zu verlassen. So ist die Zahl der Flüchtlinge in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken. Waren es vor zehn Jahren noch 3.000 Flüchtlinge, die jedes Jahr über die Grenze gekommen sind, sind es heute nur noch wenige hundert. Der Grund sind verschärfte Grenzkontrollen. Außerdem kooperieren die nepalesischen Grenzbeamten mit den chinesischen, so dass Flüchtlinge – sollten sie aufgespürt werden – an China ausgeliefert werden.
Doch: Damit besiegeln sie das Schicksal dieser Menschen. Denn wenn sich jemand anzündet, droht den Dorfbewohnern eine Kollektivstrafe. Das heißt, ihnen werden nicht selten Sozialleistungen gekürzt oder sie werden von Entwicklungsprojekten ausgeschlossen. Bei einem Flüchtling, den man an der Grenze abfängt, ist meist ebenfalls die ganze Gemeinde betroffen. Das heißt, es wird nicht nur der Flüchtling drangsaliert sondern auch Angehörige, Freunde, Nachbarn. Denn klar ist: Es darf keine Nachahmer geben.

Tenzin's 'Indian Registration Certificate for Tibetans'. Es ersetzt den Pass, den die Tibeter in Indien nicht bekommen können.
Für junge Tibeter ist es ein Problem zu reisen, weil sie in der Regel keinen Reisepass besitzen. Bis 1995 hat die nepalesische Regierung sogenannte „ID cards“ ausgegeben, die dem deutschen Personalausweis entsprechen. Doch irgendwann setze man dieses „Gentlemen’s Agreement“ aus – und damit fingen für die Tibeter die Schwierigkeiten an. Denn ohne Ausweis, kann man nicht mal ein Bankkonto eröffnen, geschweige denn eine Arbeit finden, studieren oder reisen.
Tenzin Tsundue ist davon überzeugt, dass er den Kampf für ein freies Tibet mit Hilfe von Bildung gewinnen kann. Da er fließend Englisch spricht, geht er regelmäßig auf Lesereise und macht die internationale Gemeinschaft so auf seine Mission aufmerksam. Als Kind und Jugendlicher hat er – wie die meisten Exiltibeter – ein „Tibetan Children Village“ (TYC) besucht, vergleichbar mit einem SOS-Kinderdorf. In Indien gibt es davon genau fünf. Hinzu kommen: Internatsschulen, Tagesschulen, Kinderkrippen, Berufsbildungszentren, Studentenheime und Altersheime.
Er spricht davon, dass Polizisten eine tibetische Frau vergewaltigt hätten und sie dann ins Krankenhaus gebracht hätten. Sie sei überall aufgeschlitzt worden und schließlich verblutet. Wenn man Ven Bagdro zuhört, läuft es einem kalt den Rücken herunter. Man fragt sich: Was davon ist wahr? Übertreibt er womöglich? Immer wieder spricht er davon, dass sein Karma ihn davor bewahrt habe, im Gefängnis zu sterben. Als er es nicht mehr ausgehalten habe, habe er versucht, sich mit einem Strick umzubringen. Doch die Gefängniswärter haben das nicht zugelassen. Sie sagten zu ihm: „Wir töten dich langsam – zuerst brauchen wir deine Informationen.“
Die Informationen zielten auf einen Protest in Lhasa Ende der 80er Jahre ab, an dem Ven Bagdro teilgenommen hat. Er soll die Namen anderer Protestierender nennen. Doch Ven Bagdro gab sie – trotz der Schmerzen – nicht preis. Die chinesische Verfassung, die auch für Tibet gilt, nennt er eine Farce. In Wirklichkeit sei alles verboten – man dürfe sich nicht versammeln, die Gerichte seien nicht unabhängig und von Religionsfreiheit könne keine Rede sein.

Autor Ven Bagdro in seiner Wohnung.
Irgendwann hat sich Ven Bagdro selber Englisch beigebracht und angefangen, Bücher zu schreiben. „Hell on Earth“ war sein bislang größter Erfolg, mit einer Auflage von 30.000 und Übersetzungen in 30 Sprachen. Insgesamt hat er es inzwischen auf elf Bücher gebracht. Ob es weitere geben wird, ist unklar.
In Dharamsala lebt der Mönch auf bescheidenen zehn Quadratmetern. Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer – alles in einem. Ein altes, verkratztes Nokia-Handy gehört ihm. Ein Smartphone besitzt er nicht, genauso wenig wie einen Laptop. Das heißt, er hat am letzten Buch eineinhalb Jahre gearbeitet, hat Passagen immer wieder handschriftlich festgehalten und sie im Anschluss bei Freunden abgetippt.
Für den Druck braucht er 100.000 indische Rupien, umgerechnet 1.300 Euro. Mit Hilfe von Spenden will er das Geld zusammenbekommen. Das sei machbar, aber mühsam, stöhnt er. Das Buch wolle er im Anschluss an die wichtigsten Botschaften in Neu-Delhi verteilen, damit die tibetische Sache nicht in Vergessenheit gerät. Ven Bagdro sagt: „Viele meiner Freunde sind gestorben, aber ich werde diese Menschen nicht vergessen – deshalb muss ich etwas machen. Deshalb muss ich reden und schreiben.“
Seit August 2011 ist das 14. Kabinett im Amt. Es besteht aus dem Premierminister Lobsang Sangay und sechs Ministern, die sich um Bildung, Religion / Kultur, Heimat, Information / internationale Beziehungen, Finanzen, Sicherheit und Gesundheit kümmern. Nachdem der Dalai Lama 2011 seine politische Funktion aufgegeben hat, ist der Premierminister nicht nur Regierungschef sondern auch politisches Oberhaupt. Dem Parlament gehören insgesamt 44 Abgeordnete an. Zweimal im Jahr wird getagt. Der Aktivist Tenzin Tsundue sagt, es sei ein wichtiges demokratisches Experiment – „denn wenn Tibet eines Tages unabhängig wird, sind wir bereit.“
Natürlich haben wir im Rahmen unserer Recherchereise auch eine Interviewanfrage an den Dalai Lama (übersetzt: „Ozean der Weisheit“) gestellt, um mit ihm persönlich über die Situation in Tibet, vor allem über die Selbstverbrennungen, zu sprechen. Sein Sekretär Tenzin Taklha antwortete (auf Englisch):
„I am sorry to inform you that an interview will not be possible. In all honesty, there are just too many requests for His Holiness’ time and we unfortunately have to decline the majority of them. His Holiness has many public engagements throughout the year resulting in a very busy and demanding schedule and leaving us with little time to schedule private engagements, including audiences and interviews. More importantly, in view of His Holiness' age and our concern for ensuring His Holiness' continued good health, we are also making it a priority to reduce his overall engagement schedule whether here in Dharamsala or on visits. We hope you will understand our situation.“
In einigen wenigen Interviews hat er sich zu den Selbstverbrennungen geäußert. So sagte er zum Beispiel der ZEIT im Sommer 2013: „Was diese jungen Leute tun, hilft nicht. (...) Das Tibet-Problem muss durch freundschaftlichen Dialog gelöst werden, nicht durch Konfrontation. Nur der Weg der Verständigung ist realistisch.“ Das ganze Interview unter: http://www.zeit.de/2013/25/dalai-lama-selbstverbrennung.
Als Mao Zedong 1949 die Volksrepublik China gründete, wollte er Tibet – das sich zuvor als unabhängig erklärt hatte – an das chinesische „Mutterland“ anschließen. Wenig später übernahm der heutige Dalai Lama – im Alter von 15 Jahren – die Regierung Tibets. Am 23. Mai 1951 wurde ein 17-Punkte-Abkommen unterzeichnet, wonach den Tibetern unter anderem regionale Autonomie und Religionsfreiheit zugesichert wurde. 1955 kam es zu ersten Protesten, die blutig niedergeschlagen wurden. Am 10. März 1959 brach in Lhasa der sogenannte „Tibetaufstand“ aus und die chinesische Volksbefreiungsarmee marschierte in Tibet ein. Daraufhin floh der Dalai Lama nach Indien und fand in Dharamsala Zuflucht. Gleichzeitig starben in den Kämpfen mehr als 86.000 Tibeter. Während der chinesischen Kulturrevolution 1966 bis 1976 wurden darüber hinaus tausende Klöster und Kulturdenkmäler geplündert und zerstört.

Ein Mönch des Kirti-Kloster in Dharamsala zeigt Fotos der Überwachung und Demütigung der Mönche in der Autonomen Region Tibet.
Seitdem ist die Lage angespannt. Unzählige chinesische Polizisten und Milizionäre bewachen die sechs Millionen Tibeter, unterdrücken und drangsalieren sie. Die Tibeter empfinden die dauerhafte Besetzung Tibets durch die Chinesen als Verstoß gegen internationales Recht und gegen das Recht auf Selbstbestimmung. Die Regierung in Peking argumentiert, dass Tibet seit 700 Jahren fester Bestandteil Chinas ist. Sie sieht den Dalai Lama als Separatist, der die Spaltung Chinas vorantreibt. 2002 bis 2010 hat der europäische Gesandte des Dalai Lamas, Kelsang Gyaltsen, Verhandlungen mit der chinesischen Regierung geführt. Sein Credo: „Eine Lösung ist nur durch Dialog möglich!“ Doch die Gespräche wurden im Januar 2010 von chinesischer Seite, ohne Angabe von Gründen, auf Eis gelegt.
Interessantes Detail: Kelsang Gyaltsen unterhält sein Büro in Zürich (http://www.tibet-europe.com/web/). Das kommt nicht von ungefähr, denn in der Schweiz gibt es so viele tibetische Flüchtlinge wie nirgends sonst in Europa. Die Schweizer – ursprünglich ein Bergvolk – haben sich 1964 mit den Tibetern – ein anderes Bergvolk – solidarisiert und 1.000 tibetische Flüchtlingskinder aufgenommen. Heute leben etwa 4.500 Tibeter in der Schweiz. In Rikon gibt es seit 1968 sogar ein eigenes tibetisches Kloster mit fünf Mönchen, die entsprechende Riten und Zeremonien vornehmen. Vor allem die Morgenzeremonie hat eine besondere Bedeutung, nicht nur in Rikon sondern auch im Hause Utse in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu.